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Benjamin Moldenhauer

Stadt, Land, Schuld: Filmbesprechung von „Nostalgia“

Die Ritterhuder Lichtspiele zeigen am 7. und 8. Mai den Film „Nostalgia“, der um ein Geheimnis zentriert ist und seinen Figuren wie der Stadt Neapel sehr nah kommt

Felice (Pierfrancesco Favino) schlendert durch die Stadt Neapel, in die er wegen seiner kranken Mutter nach Jahren zurückgekommen ist.

Felice (Pierfrancesco Favino) schlendert durch die Stadt Neapel, in die er wegen seiner kranken Mutter nach Jahren zurückgekommen ist.

. Eine oft erzählte Geschichte: Ein Mann kehrt zurück in die Stadt seiner Kindheit und reist in diesem Zuge gleichsam zurück in die Vergangenheit, Neapel ist es in diesem Fall, und der Mann heißt Felice (Pierfrancesco Favino). Vierzig Jahre lang war er weg und hat in dieser Zeit in Ägypten ein Unternehmen gegründet, eine Ehe geschlossen und also ein neues, anderes Leben gelebt als damals. Warum er gegangen ist, erfährt man erst im letzten Drittel dieser Geschichte. Warum er wiederkommt, hingegen gleich am Anfang: Felices Mutter (Aurora Quattrocchi) ist schwer krank und wird bald sterben. Der Sohn will sie noch einmal sehen.

Die Heimkehrer ist die zentrale Figur in „Nostagia“, dem 17. Film des Regie-Routiniers Mario Martone. Alles ordnet sich um ihn herum an: die engen Gassen, die Räume, die Menschen, mit denen er in Kontakt tritt in seinem Versuch, die Vergangenheit zu klären. Und zu klären gibt es genug: ein Verbrechen, begangen von Jugendlichen, der abrupte Abbruch einer Freundschaft. Felices Jugendfreund Oreste (Tommaso Ragno) ist heute ein Boss der Cosa Nostra. Der Priester (Francesco Di Leva), dem Felice sich anvertraut, wirft den verlorenen Sohn jedenfalls umgehend aus seiner Kirche, als der von seiner Freundschaft berichtet.

 

Städtisches Innenleben

„Nostalgia“ findet wunderschöne Stadtbilder und setzt Neapel in erdigen, warmen Farben in Szene. Die Stadt wirkt ästhetisch makellos, trotzdem hat der Blick hier nichts Touristisches. Stattdessen kann man das In-Szene-setzen der Architektur hier als Inszenierung des Innenlebens des Protagonisten verstehen, den es mit einem Mal sehr in die alte Heimat zurückzieht. Wenn man sich die Straßen ansieht, durch die er schreitet, versteht man das auch unmittelbar. Darüber hinaus bleibt die Motivation allerdings etwas dunkel.

 

Konzentriert um die Figuren

So schön die Bilder in „Nostalgia“ auch sind und so widerstandslos die Kamera durch die Gassen gleitet, weiß der Film nicht wirklich etwas anzufangen mit seiner Geschichte - insbesondere im letzten Drittel, als das Geheimnis keins mehr ist, wird die Kameraführung etwas fahrig, symptomatischerweise sozusagen, und nimmt mal dieses, mal jenes in den Blick.

Bis dahin aber, also so lange er von dem Geheimnis sozusagen zehren kann, ist „Nostalgia“ sehr konzentriert und von den Figuren her gedacht. Die Szene, in der Felice seine Mutter wäscht, hat in ihrer überraschenden Intimität und Fragilität etwas Unvergessliches; ein Moment, der aus dem Film sozusagen heraussticht und so dann eben auch nicht wiederholbar ist. Und die Dynamik zwischen dem zum Islam übergetretenen Felice und dem katholischen Priester (Francesco Di Lena), mit dem er sich anfreundet, trägt einen ebenfalls recht weit durch die Geschichte.

 

Schuld statt Sehnsucht

Seinen Titel, der ja etwas irgendwie Exemplarisches ankündigt, kann „Nostalgia“ dann aber nicht wirklich mit Leben füllen. Warum Felice sich so sehr nach dem Ort seiner Kindheit sehnt, man kann es höchstens ahnen. Daran ändern auch die Rückblenden im 4:3-Bildformat nichts. Die nämlich zeigen kein Kindheits- oder Jugendglück, sondern legen Stück für Stück offen, was Felice damals in die Ferne getrieben hat. Damit aber dreht sich „Nostalgia“ eher um Schuldgefühle als um die Sehnsucht nach dem, was „allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war“ (Ernst Bloch).

 

„Nostalgia“ läuft am Dienstag, 7., und Mittwoch , 8. Mai um jeweils 20.15 Uhr in den Ritterhuder Lichtspielen.


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